der gestreifte affe

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der gestreifte affe

Der zweite Teil der St. Pauli-Trilogie erschien im März 2005 im Heyne Verlag.
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aus dem ersten Kapitel:

belagerung

"Haltet die Zeit an! Schießt auf die Uhr! Na, los doch!" hörte Hansen eine Stimme aus der Masse.

So ein Unsinn, dachte der Kriminal-Oberwachtmeister, was kann denn die arme Uhr dafür? Seit fünf Jahren macht sie brav ihre Arbeit, nie geht sie falsch.

Erst heute morgen war er ins Dachgeschoss der neuen St. Pauli-Polizeiwache gestiegen, um den gut geölten Mechanismus aufzuziehen. Er vergaß nie, wenn es Zeit dazu war. Und nun hatte sich da unten auf dem Spielbudenplatz der Mob versammelt und wollte die Zeit anhalten.

Ein Schuss ertönte. Ein Fenster im Erdgeschoss ging splitternd zu Bruch.

Um Gottes Willen, die wollen uns wirklich an den Kragen!

Hansen schaute sich um. Knapp zwanzig Männer, teils uniformiert, teils in Zivil, hatten sich im ersten Stock der Davidwache versammelt, weitere zehn harrten im Erdgeschoss aus. Manche hielten Karabiner in den Händen, andere hatten ihre Pistolen gezogen. Mitten unter ihnen stand der neue Revierleiter Kommissar Ramming, die Mauser in der Hand. Kaum hatte er den Schuss und das Zerbersten des Fensters vernommen, stieg die Zornesröte in sein Gesicht: "Dieses Pack!" rief er, während er seine Pistole durchlud. "Verdammtes Gesindel! Ungeziefer! Ausmerzen sollte man die ganze Bagage!"

Die haben doch nur Hunger, dachte Hansen.

Ramming setzte sich ans Telefon und gab eine Meldung nach der Polizeizentrale im Stadthaus durch, forderte Panzerwagen an. Die Verbindung brach ab. Leise vor sich hin schimpfend hängte er ein.

Hansen warf einen Blick durch das geöffnete Fenster. Die Menge wuchs stetig an. Es hatte eine Versammlung gegeben, drüben auf dem Heiligengeistfeld. Das hatten die Informanten der Polizeibehörde frühzeitig mitgeteilt. Auch dass die Spartakisten ihre Agitatoren dort hinschicken würden. Natürlich hatten sich die Beamten auf der Wache darauf eingestellt, ebenso wie ihre Kollegen von der Bezirkswache an der Eimsbütteler Straße. Nach solchen Versammlungen ging es immer hoch her auf der Reeperbahn, dem Spielbudenplatz und den Seitenstraßen von St. Pauli. Das kannte man schon. Seit einem halben Jahr war Revolution, da gewöhnt man sich an Menschenaufläufe. Aber heute schien die Sache aus dem Ruder zu laufen.

"Was wollen die denn von uns?" rief ein junger Schutzmann aus. "Wieso schießen sie auf die Uhr?"

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