die sommelière und ihr koch

virginia doyle schreibt historische kriminalromane

Virginia Doyle, Mitte 30, ist das Pseudonym einer mehrfach ausgezeichneten Krimi-Autorin. Nach einer Lehrzeit in einem Hotel an der Côte d'Azur und einer Ausbildung zur Sommelière in einem Londoner Restaurant lebte sie einige Jahre in Maidstone (Grafschaft Kent), wo sie sich ganz dem Schreiben und der Corgi-Zucht hingab. Nach ausgedehnten Reisen an die Schauplätze ihrer Romane, lebte sie einige Zeit in Hamburg.

Im Mittelpunkt ihrer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angesiedelten Serie von historischen und kulinarischen Kriminalromane steht der französische Meisterkoch und Amateur-Detektiv Jacques Pistoux, der bislang acht Abenteuer in England, auf dem Mittelmeer, auf Sizilien, in Wien, im Elsass, in Nürnberg, in Hamburg und zuletzt in der Bretagne bestanden hat.

Ehrgeizigstes Projekt der Autorin war jedoch die "St. Pauli-Trilogie", die zwischen 1900 und 1945 auf St. Pauli angesiedelt ist. Für die umfangreiche Recherche-Arbeit quartierte sie sich für einige Jahre in dem berühmten Rotlichtviertel der Hansestadt ein. Zentrale Figur der Trilogie ist Heinrich Hansen, der nach sechs Jahren auf See nach Hamburg zurückkommt, um auf dem Kiez, wo er einst aufwuchs, Polizist zu werden. Der erste Band der St. Pauli-Trilogie trägt den Titel "Die rote Katze" und erschien im März 2004. Der zweite Band, "Der gestreifte Affe", erschien im März 2005. Mit dem Erscheinen des dritten Bandes, "Die schwarze Schlange", im März 2006 war die Trilogie komplett.

Nach Meinungsverschiedenenheiten innerhalb des Gangsterbüros (siehe "unter uns 4") verließ Virginia Doyle 2008 unter mysteriösen Umständen die Hansestadt und ging nach England zurück (siehe auch Biographie). Sie hinterließ ein Manuskript, das im Sommer 2010 unter dem Titel "Die Ehre der Nicolosi" veröffentlicht wurde.

Nach einigen Jahren im Verborgenen, die Virginia Doyle wahrscheinlich vor allem in ihrer alten Heimat Kent verbrachte, zog sie sich noch weiter zurück. Mit der Hinwendung zum Buddhismus und der Übersiedlung in ein Kloster in Südkorea sagte sie sich endgültig von der Schriftstellerei los.

portrait virginia doyle

die enttarnung der virginia doyle

im "Hamburger Abendblatt" vom 16./17. März 2002:

Die Folgen hat er nicht absehen können. Er hatte sich lediglich einen Kontoauszug bei seiner Bank geholt, als ihn die Anfrage erreichte. Ein Blick auf die etwas ernüchternden Zahlen des Kontostandes - und er hatte keine Wahl mehr. Er musste sich auf das Spiel einlassen. Aus ihm, dem männlichen Autor, wurde eine Autorin. Virginia Doyle.

Robert Brack erzählt die Geschichte mittlerweile gern. Es war im Sommer 1997, als ihn sein Lektor fragte, ob er nicht Lust hätte, mal einen historischen Kriminalroman zu schreiben, der im viktorianischen England spielt. Am besten unter einem weiblichen Pseudonym. "Ich glaube, mein Lektor wollte mich ein wenig quälen", mutmaßt Brack heute. Doch er willigte ein - und sah sich in seinem Büro in Ottensen nicht nur mit der Frage konfrontiert, was für eine Geschichte mit welcher Hauptfigur er schreiben könnte, sondern auch mit dem Problem, wie er als Frau im 19. Jahrhundert heißen wollte. "Wegen Arthur Conan Doyle bin ich dann auf den Nachnamen gekommen und wusste auch, was für eine Geschichte ich schreiben könnte, nämlich eine Art Sherlock-Holmes-Geschichte mit einem Küchenjungen als Watson-Figur." Und der Vorname? Der klang einfach gut. So wurde aus Robert Brack, dem mit dem Deutschen Krimipreis und dem "Marlowe" ausgezeichneten Autor, halt Virginia Doyle - "das Pseudonym einer mehrfach ausgezeichneten Krimiautorin", wie es die fiktive Biografie in den Büchern verrät, die in "Maidstone (Grafschaft Kent)" lebt, "wo sie sich ganz dem Schreiben und der Corgi-Zucht hingibt". 1999 erblickte Virginia Doyle das Licht der kriminalliterarischen Welt - "Die schwarze Nonne" erschien. "Anfangs dachte ich, dass es bei einem Buch bleiben sollte, aber kaum war das veröffentlicht, sollte es schon weitergehen", erzählt Brack. Sieben  historische Kriminalromane sind es bislang geworden, dieser Tage ist "Das Totenschiff von Altona" erschienen.

Bracks Held in den Büchern ist der französische Koch Jacques Pistoux. Von England aus hat Brack ihn auf eine Reise durch halb Europa geschickt. Sei es in Südfrankreich oder auf Sizilien, im Elsass oder in Wien, überall hat Pistoux gekocht und Kriminalfälle gelöst. Dass ausgerechnet ein Koch zum Helden der Romane wurde, ist kein Zufall, schließlich ist auch Robert Brack, Jahrgang 1959, ein ambitionierter Hobby-Koch, und er schreibt zudem Restaurantkritiken  unter seinem richtigen Namen Ronald Gutberlet, denn Robert Brack ist sein Pseudonym als Krimiautor...

enttarnung virginia doyle

In "Das Totenschiff von Altona" ist Pistoux im Hamburg des Jahres 1882 angekommen und arbeitet als Chef des Bankett-Service in dem vornehmen "Hotel de L'Europe" an der Alster. Zur selben Zeit, als der Franzose hanseatisches Pflaster betritt, läuft ein führerloser Dreimaster vor Altona auf Sand. An Bord sind 200 Menschen, alle sind sie tot, teils ermordet, teils von der Cholera hingerafft. Schnell macht in den Spelunken das Gerücht von einem Pestschiff die Runde. Die Polizei und der Bürgermeister wollen den Vorfall geheim halten - und auch Godefries, der Eigner des Schiffes, hat ein durchaus lebhaftes Interesse daran, dass die Vorfälle auf dem Schiff im Dunkeln bleiben. Denn die Passagiere lebten an Bord unter schlimmsten Bedingungen. Es waren Auswanderer, die in die Neue Welt aufbrechen wollten, weil sie sich dort ein besseres Leben erhofften. Und Jacques Pistoux bereitet derweil im "Hotel de L'Europe" ein Gala-Bankett vor, dass der Reeder Godefries zu Ehren seiner schönen, aber zum Leidwesen des Vaters noch unverheirateten, Tochter Henriette geben will.

Es war zu jener Zeit durchaus üblich, dass französische Köche in ganz Europa engagiert wurden, zumeist standen sie natürlich an den Herdplatten der Herrscherhäuser und der großen Hotels. Dennoch galt ein Koch damals nicht viel. "Ich hoffe, dass ich deshalb auch ein wenig andere historische Kriminalromane geschrieben habe", sagt Brack. "Sie spielen eben nicht in der herrschenden Klasse, sondern erzählen immer aus der Perspektive der Arbeitenden." Das ist ihm wichtig, und fürwahr hat Pistoux im "Totenschiff von Altona" alle Hände voll zu tun. Wie Robert Brack das erzählt, ist nicht nur äußerst spannend und detailfreudig beschrieben, sondern atmet auch die Atmosphäre und lässt das Milieu der Reichen und der Armen im Hamburg des ausgehenden 19. Jahrhunderts lebendig werden. Dass all die Rezepte, die Pistoux kocht, in einem Anhang der Kriminalgeschichte beigefügt sind, erhöht nicht nur das Lesevergnügen. Es hat einen praktischen Wert, auf den die Leser sich verlassen können. Denn Brack hat alles nachgekocht - darunter sind auch einige Rezepte von gegenwärtigen Hamburger Sterneköchen.

Die Gerüchteküche hat Brack verlassen, sie schmeckte ihm nicht mehr. "Dreimal bin ich schon gefragt worden, ob ich Virginia Doyle sei. Ich habe jedesmal gelogen." Damit ist Schluss, und Brack ist froh darüber. "Ich konnte bislang niemals jemandem die Bücher zum Lesen geben oder sie verschenken, immer musste alles geheim bleiben." Das Schicksal eines Pseudonyms. Jetzt ist es Vergangenheit, historisch sozusagen. Das Leben ist  halt doch ein Roman.

Volker Albers

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