unter uns [teil 4]

robert brack und virginia doyle
STREIT UND TRENNUNG

Doyle: Es reicht! Das geht so nicht!

Brack: Entschuldige bitte, von was sprichst du da eigentlich?

Doyle: Von meiner Entmachtung.

Brack: Entmachtung? Wir haben doch gar keine Machtstrukturen hier im Gangsterbüro.

Doyle:Sagst du, aber ob das stimmt ...

Brack: Schriftsteller üben nur selten Macht aus und meist in ihren selbst gebauten fiktiven Welten. Soweit das überhaupt möglich ist, denn nicht nur Grammatik und Semantik wirken mitunter diktatorisch, auch die erfundenen Charaktere sind nicht vollständig beherrschbar, ganz zu schweigen von der Handlung ...

Doyle: Stopp! Darum geht es nicht. Es geht um mich. Ich fühle mich an den Rand gedrängt.

Brack: In deinen fiktiven Welten?

Doyle: Wenn du dich jetzt über mich lustig machen willst ...

Brack: Nein, ich nehme das zurück. Wo ist das Problem?

Doyle: Du wilderst in meinem Terrain.

Brack: Nicht das ich wüsste.

Doyle: Der Bereich historische Romane ist meine Domäne. Das war so abgesprochen. Wir hatten uns auf eine Arbeitsteilung geeinigt.

Brack: Ja, und?

Doyle: Nun hast du aber ebenfalls historische Kriminalromane veröffentlicht.

Brack: Das stimmt nicht.

Doyle: "Und das Meer gab seine Toten wieder" und "Blutsonntag" spielen im Jahr 1932 und behandeln historische Themen.

Brack: Falsch. Es sind zeitgeschichtliche Romane, nicht historische.

Doyle: Das ist spitzfindig.

Brack: Eben nicht. Die Welt von 1932 ist noch sehr eng mit unserer Gegenwart verbunden. Die Geschehnisse von damals wirken bis heute und vieles, und darum geht es ja in den Büchern, ist bis heute nicht aufgearbeitet worden. Die jetzige deutsche Demokratie baut auf der Weimarer Republik auf. Auseinandersetzungen von damals wirken sich bis in die gegenwärtige Politik aus, man denke nur an die damalige Spaltung der Arbeiterbewegung und die Haltung von SPD und Linke zueinander. Und wer weiß in welcher Republik wir leben würden, wenn die Führung der Sozialdemokratie 1918/19 nicht auf verbrecherische Weise die sozialistische Revolution niedergeschlagen hätte ...

Doyle: Hör auf! Darum geht es nicht. Die Spaltung der Arbeiterbewegung ist mir egal ...

Brack: Typisch ...

Doyle: ... es geht um unser Schisma.

Brack: Du wirfst mir vor, ich hätte dich auf deinem eigenen Gebiet übertrumpft?

Doyle: Ja, in einem Akt interner Piraterie hast du dir meinen Arbeitsplatz angeeignet.

Robert Brack

Brack: Weil die Handlung meiner letzten beiden Bücher einige Jahrzehnte zurück liegt?

Doyle: Genau.

Brack: Und weil die Bücher erfolgreich sind?

Doyle: Genau.

Brack: Du bist eifersüchtig.

Doyle: Das ist billig.

Brack: Aber vielleicht darf ich dich daran erinnern, dass du selbst auf mein Terrain vorgedrungen bist.

Doyle: Ha!.

Brack: Die Geschichte in deinem neuen Manuskript spielt nach 1945, die Handlung reicht bis in die Gegenwart.

Doyle: Bis in die 80er Jahre. Aber das ist was anderes. Es ist der vierte Teil der St. Pauli-Trilogie.

Brack: Absurde Idee.

Doyle: St. Pauli ist mein Terrain.

Brack: Ich weiß, dass du dich dort sehr eingegraben hast. Du bist in das Milieu eingetaucht, das dich immer mehr fasziniert hat ... du hast Dinge getan ... dich mit eigenartigen Leuten eingelassen.

Doyle: Hör auf, das geht dich gar nichts an.

Brack: Du hast dich selbst verloren.

Doyle: Anmaßend bist du.

Brack: Lies doch dein letztes Buch. Hast du das wirklich geschrieben? Es liest sich, als hätte es ein Mann verfasst.

Doyle: Du musst gerade reden, wo du meine Art zu schreiben simuliert hast.

Brack: Es war wohl eher umgekehrt. Wer war denn zuerst da?

Doyle: Frechheit. Und wo wir gerade dabei sind: Wer hat dir eigentlich erlaubt mein Manuskript zu lesen.

Brack: Es lag im Büro herum.

Doyle: Siehst du, das meine ich. Du hast keinen Respekt, weder vor mir noch vor meiner Arbeit.

Brack: Unsinn, den allerhöchsten und ...

Robert Brack

Doyle: Du eignest dir meine Sachen an und drängst mich raus.

Brack: Tatsache ist doch, dass du fast nie da bist, weil du dich sonstwo herumtreibst.

Doyle: Dieser verächtliche Unteron in der Stimme.

Brack: Lass doch diese billige Polemik.

Doyle: Nein! Das ist nicht billig, das ist grundsätzlich. Es ist dringend nötig, dass wir uns trennen.

Brack: Hm.

Doyle: Weil du lange Zeit auf meine Kosten gelebt hat

Brack: Also hör mal ...

Doyle: Und damit ist jetzt Schluss!

Brack: Aber ...

Doyle: Von nun an muss jeder seinen eigenen Weg gehen.

Brack: So einfach ist das nicht.

Doyle: Doch. Ich verlass das Büro und komme nicht wieder.

Brack: Vergiss deine Sachen nicht.

Doyle: Die lasse ich abholen.

Brack: Von wem?

Doyle: Das wirst du schon sehen.


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