die perfekte verschwörung

essays zur kriminalliteratur von robert brack

[ essay 1 ] 

von chandler lernen
(und dem volke dienen)

"Kein Zweifel: Diese Welt, die Chandler beschrieben hat - und natürlich hatte er dabei das korrupte Amerika der 30er und 40er Jahre im Kopf - ähnelt inzwischen sehr stark unserer bundesdeutschen Gegenwart. Es wäre müßig, sämtliche politischen Skandale als Beweise aufzuführen. Auch ein kurzer Blick auf die Debatte über den Einfluss der organisierten Kriminalität hierzulande und den sogenannten "Großen Lauschangriff" dürfte genügen. (...) Wenn man die oben zusammengefaßten Gedanken von Chandler Revue passieren lässt, stellt man fest: Das alles ist nicht neu, vielmehr scheint die vielbeschworene Krise des zivilisierten Zusammenlebens keine besonders neue Errungenschaft der Menschheit zu sein. Nun gut, diese Erkenntnis hat mich nicht gerade überrascht. Was mich allerdings sehr wohl überrascht hat, war dies: Der ritterliche Detektiv ist mir plötzlich wieder sympathisch geworden."

Vortrag, gehalten am 24. Juli 1993 im Rahmen der Chandler-Tage in Ulm

[ essay 2 ] 

die granate und die ewigkeit oder:
schiessen sie auf den schriftsteller!

"Während der feuilleton-orientierte Dichter tagelang darüber nachsinnt, welches Satzzeichen er ans Ende eines seichten Metaphernspiels setzen soll, hat der Kriminalschriftsteller schon wieder zwanzig Seiten geschrieben. Die Kriminalliteratur ist eine schnelle Literatur und deshalb aktuell. Eine Genre-Autor schreibt lieber fünf Bücher, um einen interessanten Sachverhalt von verschiedenen Seiten her unter die Lupe zu nehmen, als sich sieben Jahre und zehn Stipendien lang mit speziellen grammatikalischen Konstruktionen und der eigenen Stellung in der Literaturgeschichte zu beschäftigen."

erschienen in: Konzepte, Magazin für eine junge Literatur, Nr. 14, 1993
und in: Raymond Chandler Jahrbuch Nr. 2, Passau 1997

[ essay 3 ] 

produktive paranoia oder:
danksagung an die drei karls

"An nichts glauben und trotzdem seinen Spaß haben, ist nicht ganz einfach. Eben deshalb gibt es Krimis oder Thriller oder Abenteuer-Romane - wie auch immer man das nennen will. Den größten Spaß hat ein Autor, wenn er selbst zum Verschwörer wird. Was wohl das wahre Ziel aller Thriller-Autoren sein dürfte: 'Kompetenter Krimineller' (Eric Ambler), genialer Aufklärer und Theoretiker der Macht in einem zu sein. Eine perfekt organisierte Verschwörung zu organisieren mit dem Ziel, sich selbst als ungreifbaren Dr. Mabuse, als Autokraten von eigenen Gnaden, der immer Recht behält, einzusetzen. Der Schriftsteller beherrscht einen Kosmos, den er selbst gebaut hat (zumindest so lange, bis der Kosmos eine gewisse Eigendynamik entwickelt)."

erschienen in: Reddition / Zeitschrift für graphische Literatur, Nr. 27, 1996

[ essay 4 ] 

Der Anti-Stendhal

"Acht Jahre nach "Rot und Schwarz" verfasste Stendhal den Roman "Die Kartause von Parma". Der Roman schildert die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in einem italienischen Stadtstaat zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Stendhal beschreibt hinterlistige Verschwörungen, raffinierte Intrigen und fatale Gewalttaten - und kommt aus gegebenem Anlass erneut auf das Thema Literatur und Politik zurück (interessanterweise mit der Pistole im Anschlag)."

erschienen auf: Polar Gazette

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